KFZ-Gutachter, Werkstatt oder Versicherung: Wer soll den Unfallschaden bewerten?
In dem unvorhersehbaren Chaos eines unverschuldeten Autounfalls kann sich die Frage stellen: Sollten Sie einen freien KFZ-Gutachter beauftragen, einen Kostenvoranschlag von einer Werkstatt einholen oder den KFZ-Gutachter der Versicherung akzeptieren? Diese Frage ist wichtiger, als sie auf den ersten Blick erscheint und kann den Unterschied zwischen einer fairen Entschädigung und unnötigem Stress ausmachen.
Nehmen wir als Beispiel einen Kunden, der unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt war. Der Unfall ereignete sich in einer Seitenstraße, als ein Fahrer aus einer Parklücke fuhr und das Fahrzeug meines Kunden übersah, woraufhin er ihm hinten links in die Seite fuhr. Nach dem Austausch der Versicherungsdaten, wurde der Schaden von verschiedenen Parteien bewertet.
Mein Kunde ist unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt. Auf einer Seitenstraße übersah der Unfallverursacher beim Ausfahren aus einer Parklücke das Fahrzeug meines Kunden und kollidierte hinten links mit ihm. Die Unfallparteien tauschten ihre Versicherungsdaten aus.
Danach fuhr mein Kunde zu seiner Vertragswerkstatt, welche einen Kostenvoranschlag erstellte. Der Unfallgeschädigte reichte diesen bei der Versicherung ein, die jedoch die Schadenfeststellung der Werkstatt in Frage stellte und einen für sie tätigen Gutachter beauftragte. Dieser kam zu einer niedrigeren Schadenhöhe, als die Werkstatt.
Verwirrt über die Schadenfeststellung des Versicherungsgutachters, wandte sich der Geschädigte an mich, um ein neutrales Gutachten erstellen zu lassen.

Schadensbewertung durch die Vertragswerkstatt
Mein Kunde fuhr zunächst zu seiner Vertragswerkstatt, welche einen Kostenvoranschlag erstellte. Dieser wurde dann der Versicherung vorgelegt. Jedoch stieß diese Schadensfeststellung bei der Versicherung auf Skepsis.
Einmischung der Versicherung
Die Versicherung beauftragte einen eigenen KFZ-Gutachter. Dieser kam zu einer deutlich niedrigeren Schadeneinschätzung, als die Werkstatt. Für meinen Kunden war dies verwirrend und frustrierend. Er hatte das Gefühl, dass die Bewertung der Versicherung nicht die tatsächlichen Reparaturkosten abdeckte.
Die Rolle des freien KFZ-Gutachters
Aufgrund der Unzufriedenheit mit der Situation und dem Wunsch nach einer unabhängigen Einschätzung, beauftragte der Kunde mich, Sebastian Wöllenweber, TÜV zertifizierter KFZ-Gutachter und Bestmeister der Handwerkskammer Dortmund im Jahr 2018, mit der Erstellung eines neutralen Gutachtens.
Schadengutachten Sachverständigenbüro Wöllenweber:
Schadenhöhe:8.211€
- Reparaturkosten: 6.600€
- Nicht Verkehrssicher!
- Wertminderung: 900€
- Wiederbeschaffungs- wert 14.500€
- Achsvermessung: Ja!
Kostenvoranschlag der Vertragswerkstatt:
Schadenhöhe:4.667€
- Reparaturkosten: 4.400€
- Verkehrssicher
- Wertminderung: keine
- Wiederbeschaffungs- wert: nicht ermittelt
- Achsvermessung: Nein
Schadengutachten des Gutachters der Versicherung:
Schadenhöhe:4.134€
- Reparaturkosten: 3.800€
- Verkehrssicher
- Wertminderung: keine
- Wiederbeschaffungs- wert: 12.000€
- Achsvermessung: Nein
Die Wahrheit liegt im Detail: Warum ich als freier KFZ-Gutachter eine höhere Schadenssumme ermittelt habe
Als ich mir den Unfallschaden ansah, stellte ich fest, dass das Fahrzeug nach dem Unfall nicht mehr verkehrssicher war – ein Punkt, der sowohl von der Werkstatt, als auch vom Versicherungsgutachter übersehen wurde. Insbesondere bemerkte ich, dass es offensichtlich zu einem Anstoß auf den hinteren linken Reifen gekommen war.
Ich konnte daher nicht ausschließen, dass der Reifen oder die Achsaufhängung beschädigt worden waren. Aus diesem Grund hielt ich es für notwendig, eine Achsvermessung durchzuführen. Diese Vermessung ergab, dass die Hinterachse deformiert war und komplett ausgetauscht werden musste.
Zusätzlich entdeckte ich bei der Demontage des Reifens von der Felge einen inneren Schaden, der durch den Aufprall verursacht worden war. Hätte der Kunde diesen nicht bemerkt und weiter mit dem beschädigten Reifen gefahren, hätte dies zu einem potenziell gefährlichen Reifenplatzer führen können.
Fazit:
Sparen Sie sich unnötigen Ärger und Stress. Gehen Sie auf Nummer sicher und wenden Sie sich bei einem Unfallschaden an einen KFZ-Sachverständigen Ihres Vertrauens. Dieser ermittelt für Sie auch den korrekten Wiederbeschaffungswert und die Wertminderung.
FAQ
Was ist besser: Gutachten oder Kostenvoranschlag?
Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Ein Kostenvoranschlag ist in der Regel schneller und kostengünstiger, kann aber wichtige Details übersehen, die in einem ausführlichen Gutachten aufgeführt würden. Ein Gutachten hingegen bietet eine umfassendere und detailliertere Analyse des Schadens und ist daher oft die bessere Wahl, insbesondere bei komplexen oder großen Schäden.
Wann sind Gutachten und Kostenvoranschlag notwendig?
Ein Kostenvoranschlag wird in der Regel für kleinere Schäden verwendet, bei denen die Kosten für die Reparatur voraussichtlich gering sind. Ein Gutachten hingegen wird bei größeren Schäden, bei denen die Reparaturkosten höher sein könnten oder bei komplexen Fällen benötigt.
Wann lohnt sich ein Gutachten?
Ein Gutachten lohnt sich in der Regel immer dann, wenn der Schaden komplex ist oder die voraussichtlichen Reparaturkosten einen bestimmten Betrag (oft etwa 750 Euro) überschreiten. Es kann auch sinnvoll sein, wenn es Unstimmigkeiten zwischen Ihnen und der Versicherung oder der Werkstatt gibt. In jedem Fall sollten Sie sich bei einem Gutachter zuvor kostenlos beraten lassen.
Bei welcher Schadenshöhe brauche ich einen Gutachter?
Ein Gutachter wird in der Regel dann hinzugezogen, wenn der Schaden einen bestimmten Betrag überschreitet, oft etwa 750 Euro. Jedoch kann auch bei geringeren Schäden ein Gutachter sinnvoll sein, wenn die Reparatur komplex ist oder Sie die Wertminderung bestimmen lassen möchten.
Was zahlt die Versicherung bei einem Kostenvoranschlag?
Die Versicherung zahlt die im Kostenvoranschlag aufgeführten Reparaturkosten. Allerdings können bestimmte Posten, wie z.B. der Wertverlust des Fahrzeugs oder der Nutzungsausfall, in einem Kostenvoranschlag oft nicht berücksichtigt werden.
Wie bindend ist ein Kostenvoranschlag?
Ein Kostenvoranschlag ist in der Regel nicht bindend. Das bedeutet, dass die tatsächlichen Reparaturkosten höher oder niedriger, als im Kostenvoranschlag angegeben, ausfallen können.
Warum sind Gutachter so teuer?
Die Kosten für einen Gutachter sind in der Regel höher, als für einen Kostenvoranschlag, da ein Gutachten eine gründlichere und detailliertere Untersuchung des Schadens erfordert. Ein Gutachter hat zudem eine höhere Haftung und muss sich regelmäßig weiterbilden, was ebenfalls Kosten verursacht.
Kann man bei der Versicherung nach einem Kostenvoranschlag abrechnen?
Ja, das ist möglich. Allerdings kann es sein, dass die Versicherung bestimmte Posten, die im Kostenvoranschlag aufgeführt sind, nicht anerkennt oder die vorgeschlagenen Reparaturkosten als zu hoch ansieht. Daher ist die Abrechnung nach Kurzgutachten immer die bessere Wahl.
Was zahlt die Versicherung nach Gutachten?
Die Versicherung sollte die im Gutachten aufgeführten Reparaturkosten zahlen. Zusätzlich sollte sie auch weitere im Gutachten aufgeführte Kosten übernehmen, wie z.B. den Wertverlust des Fahrzeugs oder den Nutzungsausfall.
Wer zahlt die Rechnung vom Gutachter?
Bei einem unverschuldeten Unfall muss die Versicherung des Unfallverursachers die Kosten des Gutachtens tragen. Dabei ist es egal, ob Sie ein Gutachten oder ein Kurzgutachten in Auftrag gegeben haben.